Wikipedia sagt: „Ein … Quantencomputer … nutzt die Gesetze der Quantenmechanik. Im Unterschied zum klassischen Computer arbeitet er nicht auf der Basis makroskopischer Zustände elektronischer Schaltkreise, sondern quantenmechanischer Zustände geeigneter Systeme. Damit ist es möglich, im Laufe der Rechnung Superpositionszustände und Quantenverschränkung zu erzeugen, die beide für die Informationsverarbeitung in Quantencomputern entscheidend sind.“
Alles klar? Dann können Sie hier aufhören zu lesen. Für alle, denen es so geht wie mir, habe ich im Nachfolgenden versucht, eine vorstellbare Beschreibung dieser Superrechner zu erstellen. Nähern wir uns ganz klassisch über die spezifischen Bauelemente, die die Erzeugung, Manipulation und Messung von sog. Qubits ermöglichen. Der Quantenprozessor ist der Kern des Quantencomputers und enthält die Qu(antum) Bits sowie die Verbindungen zwischen ihnen. Sie sind die grundlegenden Informationsträger eines Quantencomputers und können durch physikalische Systeme realisiert werden, z. B.:
- Supraleitende Schaltkreise: Elektronenflüsse in supraleitenden Materialien (Niob oder Aluminium) bei extrem niedrigen Temperaturen.
- Ionenfallen: Einzelne Ionen werden in magnetischen oder elektrischen Feldern gefangen und mit Lasern manipuliert.
- Photonen: Lichtteilchen, die in optischen Systemen verwendet werden.
- Spin von Elektronen: Die Orientierung des Spins eines Elektrons wird zur Darstellung von Qubit-Zuständen verwendet.
- NV-Zentren: Stickstoff-Fehlstellen in Diamanten bieten eine stabile Qubit-Umgebung.
Supraleitende Quantencomputer benötigen extrem niedrige Temperaturen, nahe dem absoluten Nullpunkt, um die supraleitenden Eigenschaften der Qubits zu erhalten und die sog. Dekohärenz zu minimieren. Dazu werden z.B. Kryostate oder Heliumverdampferkühler in Verbindung mit Schichten zur thermischen Isolation eingesetzt. Damit ist klar: Ein Quantencomputer passt weder in das Gehäuse eines Desktop-PC und schon gar nicht in das eines Notebooks. Oder? Na ja, noch nicht. Allerdings gibt es jetzt bereits Quantencomputer in handlicher Größe für z.B. 8.000€ zu kaufen, die mit 2 Qubits jedoch nicht besonders leistungsfähig sind.
Qubits benötigen Quantenlogikgatter, die Operationen, z.B. Verschränkungen oder Superposition, auszuführen. Sie sind das Pendant zu klassischen Logikgattern (NAND, NOR, XOR, usw.). Kontrollsysteme erzeugen präzise Steuerungssignale, um Qubits zu manipulieren. Dafür werden Mikrowellen- oder Laserquellen oder magnetische Felder verwendet. Nach der Berechnung müssen die Zustände der Qubits ausgelesen werden. Das übernehmen Mikrowellenresonatoren, die die Energiezustände supraleitender Qubits erfassen oder Photodetektoren, die Photonen in optischen Systemen aufnehmen, mit CCD-Kameras oder PMT (Photomultiplier Tubes), ein Gerät zur Detektion sehr schwachen fluoreszierendes Lichts bei Ionenfallen. Quantencomputer sind empfindlich gegenüber Fehlern durch sog. Dekohärenz oder externe Störungen. Die Fehlerkorrektur ist auch entscheidend für die Skalierbarkeit der Rechensysteme. Deswegen arbeiten Quantencomputer mit Redundanten Qubits, d.h. logischen Qubits; sie werden aus mehreren physikalischen Qubits zusammengesetzt. Quantenfehlerkorrekturcodes übernehmen den Schutz vor Bit-Flip- und Phasenfehlern. Verbindungs- und Kommunikationssysteme ermöglichen die Interaktion zwischen Qubits oder mit anderen Quantencomputern. Sie bestehen z.B. aus Photonenleitungen und vermitteln Signale zwischen Qubits. Aber auch die klassische Steuerungselektronik wird benötigt, um Signale an die Qubits zu senden und Messergebnisse zu verarbeiten. Dazu werden hochpräzise Digital-Analog-Wandler (DAC) und FPGA-basierte (Field Programmable Gate Array) Steuerungssysteme eingesetzt. Qubits müssen unbedingt vor äußeren Einflüssen, wie elektromagnetischen Wellen und Wärme, geschützt werden. Dazu dienen elektromagnetische Abschirmkästen und Vakuumkammern. Software und Programmierumgebung ermöglichen die Steuerung und Entwicklung von Algorithmen. Dazu diene Quanten-Softwareplattformen, z. B. Qiskit, Cirq, und Laufzeitumgebungen zur Übersetzung von Quantenprogrammen in Steuerbefehle.
Wie bei einem „normalen“ PC: Alle diese speziellen Komponenten und Bauelemente müssen zusammen arbeiten, um die einzigartigen Eigenschaften der Quantenmechanik für die Berechnung zu nutzen. Ihre Kombination macht Quantencomputer zu einer leistungsstarken, aber auch herausfordernden Technologie.
Bleiben wir noch etwas bei der Funktionsweise eines Quantencomputers. Das Unvorstellbare: Ein Qubit kann sich im Gegensatz zum „normalen“ Bit mit den Zuständen 0 oder 1 gleichzeitig in mehreren Zuständen befinden. Diese Eigenschaft wird genutzt, um viele Berechnungen parallel auszuführen. Dazu werden verschiedene Qubits z.B. miteinander „verschränkt“. Als Quantenverschränkung bezeichnet man das Phänomen, dass zwei räumlich voneinander getrennte Teilchen Informationen über ihre Eigenschaften ohne Zeitverzögerung austauschen können, unabhängig von ihrer räumlichen Distanz. Dies widerspricht allen Gesetzen der klassischen Physik. Selbst Einstein lehnte zeitlebens diese "spukhafte Fernwirkung" ab. Doch genau diese Eigenschaft ermöglicht extrem komplexe Berechnungen, z.B. in der Kryptographie. Quantencomputer können bestehende Verschlüsselungsverfahren, wie RSA oder ECC, durch spezielle Algorithmen, z.B. Shor's Algorithmus, knacken. Gleichzeitig ermöglichen sie mit der sog. Quantenkryptographie völlig neue, abhörsichere Kommunikationsmethoden. Quantencomputer eignen sich auch zur Lösung komplexer Optimierungsprobleme in Logistik, Finanzwesen und Materialwissenschaften. Quantencomputing wird die Bankenlandschaft revolutionieren, indem es die Effizienz (Risikomodellierung und schnellere Risikobewertung) steigert und Portfoliooptimierung, effizientere Betrugserkennung, Management komplexer Liquiditätsströme, Simulation von Finanzmärkten (Stress-Tests) sowie personalisierte Finanzprodukte und Anti-Geldwäsche (AML) ermöglicht. Banken, die frühzeitig in diese Technologie investieren und strategische Anwendungsfälle identifizieren, könnten einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil erlangen. Quantencomputer können chemische Prozesse, Moleküle und Materialeigenschaften simulieren, die für klassische Computer viel zu komplex sind, z. B. für die Entwicklung neuer Medikamente. Und auch maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz werden revolutioniert, indem Quantencomputer die Verarbeitung extrem großer Datenmengen beschleunigen.
Der Quantencomputer blieb lange ein überwiegend theoretisches Konzept. Es gab zwar verschiedene Vorschläge, wie ein Quantencomputer realisiert werden könnte, aber sie wurden nur in kleinem Maßstab im Labor erprobt und so Quantencomputer mit wenigen Qubits realisiert. Unternehmen wie IBM, Google, Rigetti, D-Wave, IonQ und andere haben inzwischen funktionierende Quantencomputer entwickelt. Supraleitende Qubits und Ionenfallen sind dabei die derzeit führenden Technologien. Google hat 2019 Quantenüberlegenheit demonstriert, indem ein Problem in 200 Sekunden gelöst wurde, das einem klassischen Supercomputer Tausende Jahre gekostet hätte. Aktuelle Quantencomputer haben nur wenige Dutzend bis Hunderte von Qubits. Der Rekord lag im November 2021 bei 127 Qubits für den Prozessor und ein Jahr später bei 433 Qubits. Für praktische Anwendungen sind jedoch Millionen fehlerfreier Qubits erforderlich. Die Entwicklung leistungsfähiger Fehlerkorrekturmethoden ist deshalb entscheidend, um größere, praktisch nutzbare Systeme zu bauen. Quantencomputing-Frameworks wie Qiskit (IBM), Cirq (Google) und Pennylane (Xanadu) erleichtern das Programmieren und Testen von Quantenalgorithmen. Große Unternehmen wie Microsoft, Amazon und Intel investieren massiv in Quantencomputing, und gleichzeitig entstehen Start-ups, die spezialisierte Lösungen entwickeln. Es wird jedoch erwartet, dass die breite Anwendung von Quantencomputern erst in 10 bis 20 Jahren erfolgt. Bis dahin bleibt die Entwicklung auf spezialisierte Aufgaben und Forschung beschränkt. Die Fortschritte in diesem Bereich könnten jedoch viele Aspekte der Wissenschaft, Technologie und Wirtschaft grundlegend verändern.
Die Carl-Cranz-Gesellschaft widmet sich seit Jahren auch diesem Thema und hat einige wissenschaftlich-technisch tiefgehende Seminare im Angebot, z.B.
- Einführung in das Quantum Computing und seine Anwendungen
- Moderne Verfahren der Kryptographie
- Sichere Kommunikation mittels Quantenkryptographie
- Post-Quantum Sichere Verschlüsselungsverfahren